Die Begegnung mit dem spanischen Maler César Manrique, der sich auf der landschaftlich eigen- und einzigartigen Insel Lanzarote sein Künstlerdomizil errichtet hatte, bewirkte bei Rainer Stocké eine intensive Beschäftigung mit der Farbe, mit der Fläche, mit dem Material.
Seine monchromen Bildtafeln, die durch ihre Risse und Schrunden, und ihre Farbnuancen einen Reliefeffekt erzielten, sind wunderbare Hommagen an den großen spnischen Künstlerfreund, aber auch Hommagen an die Landschaft, ihre Strukturen und ihre Farben, die den Maler immer aufs neue verblüffen und herausfordern. Hatte man bei den früheren Arbeiten als Betrachter und Beobachter des Werks stets den Endruck, dass da einer vor Ideen fast überquoll, ja dass die Leinwand, die Bildtafel, nicht reichte, um seine Bilder im Kopf zu realisieren, so wren viele Freunde des Künstlers damals überrascht von der Ruhe und Kontemplation, die diese Gemälde ausstrahlten.
Dem Einfluss Manriques und der damit verbundenen eigenen künstlerischen Weiterentwicklung ist es zu verdanken, dass Rainer Stockés Kunst Ende der 80er Jahre jene Wendung hin zum Sinnlichen erhielt, die seither, so verschieden die Bildinhalte sein mögen, sein Werk auszeichnet.
Karlfried Geissler
in dem Buch „Sinne"
Mit einer gewollten graphischen Strenge steht der „Lebensbaum" in wenigen einfachen Strichen auf diesen quadratischen Leinwänden, denen der Blick nicht ausweichen kann. Holz-Baum, Wald-Baum, Feuer-Baum, Knospen, Steigen des Safts, all das bricht in eine Fülle von Farben aus, die mit den einfachen, nie dem Zufall überlassenen Formen kontrastiert. Als wollte er die Effekte verstärken, wendet Stocké ganz selbstverständlich mehrere Techniken gleichzeitig an: Öl, Acryl mit eingearbeiteten mineralischen Elementen; man kann hier wahrhaftig von organischer Malerei sprechen. Das Ergebnis besticht durch die stille Kraft, die beherrschte Aggressivität, wie wenn man es von den Naturkräften kennt.
l'abre de vie – Der Lebensbaum
von Vladimir de Perlinghi
Vision, Körper, Landschaft nennt er seine inneren Zustände. Vor der Eruption sucht er sich und seine Bilder zu bewahren. Wissend, es ist vergeblich, sie werden zerreißen wie die wolkigen Gebilde, die einen Himmel kennzeichnen, der auch höllenhaft sein kann. Er war es, wird es sein. So entstand auch die Insel, auf die Stocké reist, sich zu entziffern. Sein Alphabet: Kind, Frau, Stein. Seine Kunst: Auge, grelles Licht, der Tag. Alpträume nachts. Er bindet's aneinander. Hast du gesehen? So sieht keiner. Das muss erfunden sein, gezeugt, geboren, gelebt, verdorben. Das Gegenteil von Maskerade. Das Entkleidete als Versuch über die Wahrheit. Das Gegenteil von Werbung: Schmerz.
Gerhard Zwerenz in „Stocké – Vision und Landschaft”
Was dem Auge offengelegt wird, ist die Andeutung einer Welt, die so empfindlich und verletzbar in ihrer scheinbaren Kühle ist, dass man sich wünscht, dieser Anblick ins Unendliche und Bodenlose, in dem alles möglich ist und in dem sich die Attribute der robusteren Oberfläche schemenhaft andeuten, möge sich schützend schließen. Es ist nicht schon Erschrecken, das einem als Betrachter überfällt. Aber es ist das blitzhafte Aufleuchten einer Erkenntnis, über die man sich so selten Rechenschaft gibt: dass das Leben sich gemeinhin nur in seiner Oberfläche zu erkennen gibt, und dass nur dem sensiblen Betrachter der Blick hinter die Dinge möglich ist.
Monika Beckerle